Was ist eigentlich Kooperation?

01. September 2015 / Moritz von Gliszczynski

Zusammenarbeit zwischen verschiedenen sozialen Akteuren im Quartier ist, wie der Name schon sagt, Kernthema von „Gelingende Kooperationen im Sozialraum“. Allerdings gibt es keinen klar definierten wissenschaftlichen Begriff von Kooperation, der als Ausgangspunkt dienen könnte.

Auf den ersten Blick scheint Kooperation einfach definierbar zu sein: Als eine Zusammenarbeit zwischen mehreren Akteuren.

 

Hier sollte aber schon eine erste Abgrenzung vorgenommen werden, um den Begriff zu schärfen. Einfach nur von „Zusammenarbeit“ zu sprechen könnte auch auf Quartiers-Ebene gängige Netzwerke umfassen die dem zwanglosen Austausch von Informationen dienen; solche Netzwerke sind aber schon gut erforscht und sollen daher nicht zentrales Thema von „Gelingende Kooperationen“ sein.

Was soll dann ein Begriff von Kooperation beschreiben, der über den Austausch von Informationen hinaus geht? Eine sinnvolle Abgrenzung von reinen Informations-Netzwerken besteht darin, unter „Kooperation“ nur solche Zusammenschlüsse von Akteuren zu verstehen, die zusammen auch ein konkretes Ziel oder Projekt umsetzen wollen, also ein Netzwerk, das auch einen „output“ erzeugt. Damit ist gemeint, dass die jeweils relevanten Akteure nicht nur miteinander reden, sondern auch zusammen daran arbeiten im Quartier Dienstleistungen anzubieten, neue soziale Strukturen aufzubauen, eine neue Einrichtung zu schaffen usw. – die genaue Art des gemeinsamen Ziels kann offen gelassen werden, da empirisch viele Varianten denkbar sind.

 

In der Abgrenzung von reinen Informations-Netzwerken lässt sich Kooperation dann wie folgt definieren: Als eine Zusammenarbeit zwischen mehreren Akteuren, bei der gemeinsam ein konkretes Ziel verfolgt wird.

Hierzu ist natürlich anzumerken, dass die Abgrenzung von Informations-Netzwerken vor allem der begrifflichen Klarheit dient. Empirisch ist zu erwarten, dass Kooperation auf einem funktionierenden Informations-Netzwerk beruht, auch wenn nicht alle Mitglieder dieses Netzwerkes zwangsläufig an jeder Kooperation teilnehmen müssen.

 

Insgesamt dürfte der hier vorgeschlagene, einfache Begriff von Kooperation einen ersten Zugang zu Formen der Zusammenarbeit auf Quartiers-Ebene bieten. Er wird sich aber an der Vielfältigkeit der tatsächlichen auftretenden Zusammenarbeit in den Quartieren beweisen müssen. Schon in ersten Interviews und Beobachtungen zeigte sich diese Komplexität der Kooperation im Quartier an zwei Beispielen.

Informations-Netzwerke können beispielsweise eine komplexere Rolle spielen als es auf den ersten Blick scheint: Eine Kooperation kann erst dadurch zustande kommen, dass die Akteure im Netzwerk untereinander nicht nur besprechen, wer an einer Kooperation teilnimmt, sondern auch, welche Akteure sich am Projekt nicht beteiligen. Dies kann vor allem in Quartieren wichtig sein, in denen viele Akteure präsent sind, die eng miteinander zusammenarbeiten, aber eine Überlastung eines Projektes mit zu vielen unterschiedlichen Teilnehmern verhindern wollen. Diese Nicht-Teilnahme an einem Projekt kann als eine wichtige Vorbedingung von Kooperation gewertet werden, da sie dabei hilft einen konfliktfreien Start des Projektes zu ermöglichen.

 

Ein klar abgegrenztes Projekt ist allerdings nicht die einzige Form, in der Kooperation auf Quartiers-Ebene stattfindet, wie das zweite Beispiel zeigt: Ebenso denkbar sind niedrigschwellige Formen der Zusammenarbeit, in denen verschiedene Einrichtungen im Quartier nach Absprache Klienten untereinander weiterschicken, falls sie deren Probleme nicht selbst lösen können – so zum Beispiel, falls eine Kita nach vorheriger Klärung Eltern bei Bedarf zur lokalen Schuldnerberatung schickt. In solchen Fällen ist möglich, dass die Kooperation sich so verstetigen kann, dass sie sogar den Wechsel von Personal und den Verfall von Netzwerken übersteht. Bewohner werden dann aus Gewohnheit von der Kita zur Beratung geschickt und beraten, obwohl unter Umständen nur noch wenig oder keine Kommunikation zwischen den Einrichtungen stattfindet. Kooperation findet hier also ohne ein starkes Informations-Netzwerk oder in präzise abgestecktes Projekt statt. Dennoch erhält im Beispiel die Kita wichtige Unterstützung, indem ihren Klienten wichtige Leistungen erbracht werden, die in der Einrichtung selbst nicht verfügbar sind.

 

Kurz gesagt verdeutlichen die beiden genannten Beispiele, dass ein einfacher Begriff von Kooperation zwar den Zugang zum tatsächlichen Geschehen auf Quartiers-Ebene erleichtert, aber nicht über die Vielfalt der Praxis hinweg täuschen darf. Der hier verwandte Begriff von Kooperation mag in seiner Zuspitzung den Blick für Zusammenarbeit in Form von Netzwerken mit substantiellem output schärfen; dies soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Kooperation zum einen oft von einem Netzwerk getragen wird, das über die Teilnehmer der Kooperation an sich hinaus geht, und zum anderen, dass Kooperation nicht unbedingt in Form von extern geförderten Projekten mit schriftlich abgelegten Zielen und Ablaufplänen stattfindet, sondern auch in viel einfacheren Formen auftreten kann.